Der Bruder ist gegangen, der Bär geblieben

Bei meinem kleinen Bruder blieb selten etwas heil. Eine neue Hose hatte spätestens nach drei Stunden einen Riss oder zumindest einen Fleck. Spielzeugautos zerlegte er mit Hingabe, um sie dann wieder zusammenzusetzen. Nicht einmal sein erstes Fahrrad konnte er so akzeptieren, wie es war. Nach der ersten Runde war er stundenlang mir dem Auseinandernehmen beschäftigt, weil er eben wissen musste, wie es funktionierte.

Es gab nur eine einzige Ausnahme – und die war sein Teddybär. Er hat ihn als Wickelkind von seiner Taufpatin bekommen und den Teddy so geliebt, wie er war. Ihm hat er seine Sorgen anvertraut, manche Träne versickerte im Bärenfell. Der Teddy ist stets ganz geblieben, ziemlich abgegriffen ist er aber schon. Dass er den nie näher erforschen wollte, betrachtete unsere Mutter als kleines Wunder.

Mein Bruder wurde nur 18. Er verunglückte mit dem Motorrad. Das ist fast 30 Jahre her. Für unsere Mutter war der Teddy das wichtigste Erinnerungsstück an ihren Buben. Seit auch sie nicht mehr ist, befindet sich der Bär in meinem Besitz. Es geht ihm gut bei mir.

 

(Kommentar im KURIER anlässlich einer Stofftier-Ausstellung)