Der stumme Diener

Rollenspiel. Vormärz, der sprachlose Domestik seiner Majestät, kann in Wahrheit bestens denken, reden und schreiben.

Erst müssen Sie durch zwei Innenhöfe und dann links, zweiter Stock“, tönt es durch die Gegensprechanlage. Er spricht! Es ist Rudi Schöller, der stumme Diener seiner Majestät, von dem noch nie ein Sterbenswörtchen zu vernehmen war. An der Tür begrüßt der junge Mann ein wenig verlegen die Besucher. „Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht von meiner Junggesellenwohnung“, sagt Rudi Schöller und bittet in sein Reich im 9. Wiener Bezirk.

Hier herrscht klare Schlichtheit, kein Schnickschnack, kein Designerstück, keine Pflanzen stören die Funktionalität. Hier ist alles praktisch, alles hat seinen Platz, kein Stück zu viel. Ausgenommen die zwei Schoko- Osterhasen, die seit Jahren zwischen den DVDs in der Vitrine vor sich hinstehen. „Ich weiß auch nicht, warum die noch immer da sind“, sagt der Hausherr. Dafür ist der Esstisch übervoll und für ein ausgiebiges Frühstück gedeckt: Schinken, getrocknete Paradeiser, Oliven, Gurkerln, Aufstriche, Joghurts, Tee. Während Rudi Schöller eine Semmelhälfte mit Butter bestreicht, erzählt er, wie er zu seiner Rolle in Wir sind Kaiser gekommen ist. Als Vormärz ist er inzwischen neben Robert Palfrader und Rudi Roubinek ebenfalls Kult geworden.

Stimmgröße  Und wie der Mann in Wirklichkeit sprechen kann. Der schüchtern wirkende Rudi Schöller–er heißt eigentlich Schöllerbacher, lässt aber einfachheitshalber den zweiten Namensteil weg – überrascht mit sonorer Stimme, die kein bisschen untertänig, sondern kraftvoll rüberkommt. Dass der Vormärz immer so ernst schaut, habe mit der Rolle zu tun. „Das hat sich beim Drehen zu einem Markenzeichen entwickelt. Ich bin aber privat nicht so ernst.“ Trotzdem scheint er eher ruhig zu sein – weit entfernt von einem lauten Alleinunterhalter. „Das Ernste ist ein Stilmittel, so wie man es von Buster Keaton kennt“, erklärt der 34-Jährige, der zwar den Domestiken spielt, aber eines der Hirne hinter der Serie ist. Als Mitautor der Drehbücher hat sich Rudi Schöller die Rolle selbst auf den Leib geschnitzt. Nachdem er bereits bei „Echt fett“ mitgeschrieben hatte, wurde er neuerlich engagiert – und irgendwann gefragt, ob er den Kammerdiener spielen wolle. „Ja. Und genau“, sagt er, „so hat das angefangen“. „Ja. Und genau“, sagt Schöller gerne zum Übergang – wenn er von einem Gedanken zum anderen springt. Wie man auf den Namen Vormärz (die Zeit vor der Märzrevolution 1848) kam, weiß er nicht mehr.
Rudi Schöller wird oft bedauert,weil er in der Sendung nichts sagen darf. Das amüsiert ihn, denn dass der Vormärz nicht spricht und mit steinerner Miene agiert, war seine Idee. „Es ist ein schönes Wortspiel – der stumme Diener – und mittlerweile ist die Stimme vom Vormärz ein bissl so wie die
Frau vom Columbo. Die kommt auch nicht vor und man weiß nicht, ob es sie gibt.“ Ja. Und genau. Der Typ kann noch viel mehr. Derzeit gastiert er mit seinem Soloprogramm Show im Kabarett Niedermair in Wien. Darin sinniert er über das Leben der 30-Jährigen. Eine Generation zwischen flexiblen Arbeitsmodellen und der Suche nach bleibenden Werten. Zwischen urbanem Lifestyle und der Sehnsucht nach einfachen Dingen. Aufgewachsen mit Globalisierung, technischem Fortschritt und Umweltkatastrophen.  Diese Dinge machen Rudi Schöller nachdenklich: „Vor allem durch die Krise ist das Urvertrauen in das System erschüttert. Und dadurch wird es immer schwieriger, sich auf irgendetwas zu verlassen. Das ist das Hauptproblem für meine Generation.“

Kabarett-Duo Rudi wurde im oberösterreichischen Wolfern bei Steyr geboren und wuchs mit einem Bruder und einer Schwester auf. Die Eltern betreiben dort ein Mischfutterwerk samt Agrarhandel. Bis heute sind die fünf Schöllerbachers ein enges Gespann und legen auf das gemeinsame Sonntags-Mittagessen großen Wert. „Sooft ich kann, bin ich am Wochenende daheim.“ Rudi und sein um ein Jahr jüngerer Bruder Karl besuchten das Gymnasium der Benediktiner in Seitenstetten.  War’s schlimm, das Internatsleben? „Nein, überhaupt nicht“, sagt Rudi, „es war gut für mich. Das Bestehen in der Gemeinschaft hat mir für mein späteres Leben total geholfen.“ Ganz wichtig war immer Musik. Mit 16 hat er mit Karl eine Band gegründet. Als beide nach Wien zum Studium kamen, war damit aber Schluss. Dafür hatten die beiden eine andere Idee. „Mein Bruder und ich waren einmal bei einer Hader-Vorstellung im Audimax. Wir waren so begeistert, dass wir das auch ausprobieren wollten.“ Rudi und Karl traten ab 1996 als Kabarett-Duo Schöller & Bacher auf, hatten großen Erfolg, glänzende Kritiken und heimsten jede Menge Preise ein. Darunter der „Goldene Wiener Kleinkunstnagel“ und der Förderpreis der deutschen Kleinkunst.

Kochmuffel Schließlich beschloss sein Bruder Karl das Studium der Handelswissenschaften zu beenden und stieg später in das Geschäft der Eltern ein. Fürs Kabarett blieb keine Zeit mehr. Rudi Schöller indes folgte 2001 dem Ruf von Radio FM4–und so blieb ihm immer weniger Zeit  für die einst begonnene Ernährungswissenschaft. Bei FM4 ist er bis heute in der „Kreativabteilung“ für Programmgestaltung zuständig. On Air moderiert er manchmal Comedy-Beiträge.

Ja. Und genau. Der neue Sportler-Song „Wir sind Sieger“ stammt auch von ihm. Er hat sich bereits zum YouTube-Renner entwickelt und findet sich auch auf kurier.at/sport. Essensmäßig sei von seinem abgebrochenen Studium nicht viel übrig geblieben. „Ich ernähre mich sehr pragmatisch – und kann eigentlich nicht kochen.“ Schließlich gebe es eine Kantine im Funkhaus und eine im Kolpingheim bei ihm ums Eck. „Im Notfall mach’ ich mir Spaghetti.“ Privat sei er schon eine Weile nach einer längeren Beziehung solo. Da gebe es nichts zu berichten. „Ich bin weder auf der Suche, noch habe ich eine Torschlusspanik“, so Rudi Schöller. „Beziehung ist etwas, das ich nicht plane. Sie ergibt sich.“

 

Fotos: Martin Gnedt (4), Anna Bartl/ORF

Erschienen im KURIER am 15. November 2009

 

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