Zurechtgemacht für die Ewigkeit

Erschienen in „Servus in Stadt&Land“, Ausgabe Juni 2017
Fotos: Philip Platzer

In einem Forsthaus tief im Mariazeller Land bereitet Tierpräparatorin Elke Loretter-Rogge verstorbene Vögel auf ein zweites Leben in Museen und Sammlungen vor.

Eine schmale Straße schlängelt sich durch den Wald. Erste Sonnenstrahlen beleuchten den kurvenreichen Weg, der kein Ende nehmen will. Vorbei geht es am tiefgrünen Hubertussee, der glitzernd daliegt wie ein riesiger Smaragd. Bei einem gelben Forsthaus tief in der Walstern sind wir am Ziel. Bei der Tierpräparatorin Elke Loretter-Rogge, die hier im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet ihr Handwerk ausübt. Aus Vorarlberg hat es sie hierher in die Einschicht verschlagen – der Liebe wegen. Aber davon später.

ANATOMIE IST ALLES In ihrer Werkstatt ist sie gerade dabei, eine Birkhenne für die Ewigkeit herzurichten. Mit flinken Fingern wickelt die Präparatorin Garn um ein Knäuel Holzwolle – immer mit prüfendem Blick auf den Plan, der vor ihr auf dem Tisch liegt. Sie zupft noch ein bisschen Holzwolle aus einem Korb neben sich und wickelt auch sie mit dem Garn fest um das ovale Gebilde in ihren Händen. So lange, bis die Größe mit ihrer Zeichnung übereinstimmt. Fertig ist der Korpus, über den später das Federkleid des Vogels gestreift werden soll. „Dieser Vorgang ist das Um und Auf beim Präparieren, denn die Holzwollefigur muss genau der des Vogels entsprechen. Anatomisch muss man sich auskennen.“

DAS PRALLE LEBEN ALS VORBILD
Die 47-Jährige ist auf Kleintiere spezialisiert. Vögel – etwa Käuze und Birkhühner – sind ihre Leidenschaft. Für ihre Präparate geht sie selbst nicht auf die Jagd. Die toten Tiere werden ihr oft von Jägern gebracht, meist aber von Menschen, die sie gefunden haben. Vögel werden oft Opfer von Katzen, andere geraten an Strommasten, prallen gegen Glasscheiben oder Seilbahnen. Manche sind einfach altersschwach. Elke Loretter-Rogge präpariert sie als Anschauungs- und Ausstellungsobjekte für Museen, Schulen und Sammlungen oder als Trophäen für die Jägerschaft. Dafür braucht es neben handwerklichem Geschick und einer großen Liebe zur Natur fundierte Zoologie- und Botanikkenntnisse (siehe auch Kasten auf der nächsten Seite) und vor allem eine gute Beobachtungsgabe: Sie beschäftigt sich intensiv mit lebenden Tieren, deren Bewegungen und Verhalten, um die Präparate so realistisch wie möglich gestalten zu können. Stundenlang streift Elke mit dem Fernglas durch den Wald, sitzt auf dem Hochstand und fertigt Skizzen an, die ihr später bei ihrer Arbeit hilfreich sind.

DIE HENNE WIRD GESCHMINKT „Sie stopfen also Tiere aus?“, wird Elke Loretter- Rogge oft gefragt, wenn sie von ihrem Beruf erzählt. „Nein“, antwortet sie dann. „Ich stopfe sie nicht aus, ich fertige ihnen ein neues Innenleben an – eine Dermoplastik, wie wir das nennen.“ Der tote Vogel wird dafür zunächst genau vermessen, anschließend ein Plan gezeichnet. Dieser Vorlage entsprechend, wird der Rumpf aus Holzwolle nachgeformt; die einzelnen Teile, wie etwa Körper und Flügel, werden mit Draht verbunden. „Darüber wird dann das Federkleid gezogen, das ich vorher gegerbt habe.“ Ein heikles Unterfangen, bei dem sich zeigt, ob sie richtig gemessen hat. Ist das geschafft, wird Feder um Feder zurechtgerückt und mit Stecknadeln befestigt, damit sie sich wieder schön anlegen. Zum Abschluss wird die Henne noch liebevoll geschminkt. Mit Airbrush werden die Farben rund ums Köpfchen aufgefrischt, der Schnabel poliert, die Krallen lackiert. Große Bedeutung kommt der Auswahl der Glasaugen zu: „Sie müssen die richtige Größe und Farbe haben. Hat ein Vogel schwarze Augen, kann ich ihm keine gelben einsetzen.“

KINDERTAGE IN DER WERKSTATT Die Faszination für die Geschöpfe der Natur und das Interesse an deren Bewahrung für die Nachwelt packten Elke schon früh. Gern schwänzte sie den Kindergarten, um ihrem Vater, einem gefragten Vorarlberger Tierpräparator, in seiner Werkstatt über die Schulter zu schauen und auch zur Hand zu gehen. Und so kam es auch, dass sie bereits im Alter von 22 Jahren die Meisterprüfung als Präparatorin ablegte und den Betrieb nach dem Tod des Vaters übernahm. Heute arbeitet Elke hauptsächlich in der Walstern. In der Werkstatt in Feldkirch, in der Elkes Mutter die Stellung hält, schaut sie alle drei Monate nach dem Rechten. Ebenso im Museum „inatura“ in Dornbirn, das sie als Präparatorin betreut und wo sie sich um das Neuanfertigen und die Restauration von Ausstellungsstücken kümmert. Außerdem wirkt sie am Aufbau eines Naturmuseums im Mariazeller Heimathaus mit und hat sich zur Waldpädagogin ausbilden lassen. „Ich liebe es, etwas weitergeben zu können. Anfassen, riechen und schmecken – mit Kindern spielerisch den Wald zu erkunden, ihnen zu erklären, was sich dort alles tut und wie man sich verhält, ist einfach schön“, schwärmt Elke.

DER LIEBE INS FORSTHAUS GEFOLGT Apropos Liebe – sie führte die Vorarlbergerin nicht nur beruflich in die Wälder des Mariazeller Lands, sondern auch privat. Vor etwa 20 Jahren lernte Elke bei einer Jagd im Burgenland ihren späteren Ehemann Christoph Rogge kennen. Der Bielefelder, ein akademischer Jagdwirt, zog in jungen Jahren nach Österreich, weil er für seinen Traumberuf unbedingt die Forstfachschule in Waidhofen an der Ybbs absolvieren und danach an der Universität für Bodenkultur in Wien studieren wollte – was er auch tat. Heute betreut er ein Gebiet in der Walstern. „Und es geht uns sehr gut hier in unserem Forsthaus“, sagt Elke. Ihr zufriedenes Lächeln rührt auch daher, dass die Meisterin quasi direkt vor der Haustür alle Gräser, Wurzeln und Hölzer sammeln kann, die sie für die naturgetreue Gestaltung ihrer Präparate braucht. Und natürlich auch Heilkräuter, die sie bei Wehwehchen anwendet. Auch bei ihren Hündinnen Primel und Clara – Elke ist im Drittberuf nämlich auch noch Tierheilpraktikerin. Regelmäßig behandelt sie die 14-jährige Primel mit Akupunktur, Massagen und Kräutermischungen. Dann fällt der betagten Hundedame das Gehen gleich wieder ein bisschen leichter.

Heute legt Primel aber keinen Wert mehr auf Bewegung. Sie döst viel lieber in „ihrer“ Ecke in der Werkstatt und wirft hin und wieder einen Blick auf ihr blond gelocktes Frauchen, das hoch konzentriert mit den letzten Handgriffen an der Birkhenne beschäftigt ist – hier noch eine Feder glatt streichen, dort noch eine letzte Politur des Schnabels. Nach vielen Stunden Arbeit ist es geschafft: Der Vogel schaut aus, als würde er jeden Moment ins Unterholz flattern wollen. Er ist jetzt bereit für den Abflug ins Naturmuseum.

 

TIERPRÄPARATION – EIN URALTES HANDWERK

Bereits die alten Ägypter präparierten ihre Pharaonen, aber auch Tiere, um sie auf das Leben im Jenseits vorzubereiten. Es ist ein uraltes Bedürfnis, die Körper von Lebewesen nach dem Tod zu erhalten. Aus ihm heraus hat sich der Beruf des Präparators entwickelt. Es gibt biologische Präparate (Tiere werden unter Verwendung der Haut naturgetreu nachgebildet), die medizinische Präparation (für Anatomie, Pathologie und Gerichtsmedizin) und die Fachrichtung Geowissenschaft (Bodenfunde, Gestein, fossile Tiere und Pflanzen werden haltbar gemacht). Die meisten Präparatoren sind im biologischen Bereich zu finden und müssen über spezifische Kenntnisse in Zoologie und kreative Fähigkeiten verfügen. Zudem braucht es Beobachtungsgabe, Formgefühl und handwerkliches Geschick. Weiters sind Kenntnisse in Chemie, Botanik, Farbenlehre, Gerbtechnik, Ausstellungs- und Dokumentationstechnik erforderlich.

Der Beruf wird zumeist von naturverbundenen Menschen ausgeübt, die über ein reiches Wissen über Artenvielfalt und ökologische Zusammenhänge verfügen. Abgesehen von der Jagd dürfen Tiere nicht eigens für das Präparieren getötet werden. Bei Vögeln für die Präparation handelt es sich meistens um verunglückte Exemplare, die von Passanten, der Polizei, von Naturschutzbehörden oder Vogelwarten zum Experten gebracht werden. Das muss aber rasch erfolgen. Ein Tier, das schon länger tot ist, kann nicht mehr konserviert werden. Deshalb werden die Tiere auch bis zu ihrer Präparation eingefroren. In einer dreijährigen Lehre kann man sich zum Präparator ausbilden lassen. Abgeschlossen wird mit der Gesellenprüfung. In Österreich gibt es derzeit 93 aktive Präparatoren und drei Lehrlinge.

 

Servus-Tipp:
Tierpräparationen Elke Loretter-Rogge,
Ulreichsberg 57,
8630 Mariazell, Telefon 0664/441 79 79

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