Irdenes Gut in schillernder Pracht

Erschienen in „Servus in Stadt&Land“, Ausgabe Februar 2017
Fotos: Tom Son

Töpfern wäre zu tief gestapelt. In der Werkstatt von Silvie Pasch in Mattighofen entsteht nach alten Techniken Keramikkunst in höchster Vollendung. Schlicht in der Form und facettenreich in der Farbgebung.

In die windschiefen Regale sind halbfertige Krüge, Vasen und Schalen geschlichtet und warten aufs Glasieren. Ums Eck steht der mächtige Brennofen. Seine offene Tür gleicht einem hungrigen Rachen, der auf brandneuen Nachschub lauert. „Fütter mich“, scheint er zu flehen, während die zierliche Frau die letzten Pinselstriche über farblose Stücke führt, die der Rachen viele Stunden später wieder ausspucken wird – in voller Pracht und schillernden Farben wird die Kupferkeramik aus dem Ofen kommen.

Silvie Pasch sitzt in der alten Töpferei im oberösterreichischen Wagenham bei Mattighofen. Hier steht ihre Werkbank, die für sie die Welt bedeutet. Sie greift nach einem Patzen Ton und knetet ihn kräftig durch, um ihn schön geschmeidig zu machen. Auf der Drehscheibe geht alles so schnell, dass einem beim Zuschauen schwindlig  wird. Mit flinken Händen wird das Tonstück in die Form einer Eule gebracht. „Eulen sind besonders beliebt“,  sagt Silvie Pasch, ohne aufzuschauen. Vielleicht auch deshalb, weil Silvie ihre Geschöpfe ganz in Weiß gestaltet  und sie in ihrer Eleganz jedes Domizil erleuchten.

DAS GEHEIMNIS DER GLASUR Im Gegensatz zu den irdenen Eulen, die sie in klassischer Technik fertigt, faszinieren ihre Kupferkeramikstücke durch Schimmer und Struktur. Kein Stück gleicht dem anderen. Silvie liebt diese fast vergessene Methode, bei der eine spezielle Kupferglasur nach dem ersten Brennvorgang aufgetragen wird. Nach einer Rezeptur, die sie in mühevollen Versuchsreihen wieder neu entwickelt hat. Zu ihrer klassischen Glasur mixt die Keramikkünstlerin  verschiedene Substanzen,  damit die Schattierungen entstehen. Etwa Kobaltoxid, das blau, oder Kupferoxid, das grün färbt. Gleichgültig, was sie enthält, die fertige Kupferglasur ist farblos. Beim Auftragen mit dem Pinsel sind lediglich graue Striche oder Muster zu erkennen. Nur Silvie selbst weiß ungefähr, wie etwas aussehen wird, der Zuseher kann es sich nicht vorstellen. Auf diese Art fertigt sie ganze Kaffee- oder Teeservice, Vasen, Krüge und auch Fliesen. Die Prachtstücke werden zuerst bei 900 und beim zweiten Vorgang, dem Glasurbrand, bei 1.100 Grad neun Stunden lang gebrannt.

Es ist die Schlichtheit in der Formgebung, die es der Keramikerin angetan hat. Das hat  sie von ihrem Vater. Rudolf Pasch hat die österreichische  Keramikkunst revolutioniert. „Rudi Pasch war ein großer Künstler, hat das Handwerk modernisiert. Er war eine Institution“, sagt Mike Hölzl, der mit
Silvie zusammenarbeitet. Rudolf Pasch unterrichtete an der Privatakademie in Stuttgart, wo Silvie zur Welt kam. Daneben hat der Vater in seiner Innviertler Heimat eine Keramikwerkstätte aufgebaut. Damals gab es sogar Großaufträge: Brauereien bestellten gleich ein paar hundert Bierkrüge. „Da war was los bei uns“, sagt Silvie, die ganze Familie sei eingespannt gewesen, musste doch jeder Krug von Hand gefertigt und verziert werden. Auch in privaten Haushalten wurde Wert auf Getöpfertes gelegt. „Wer in unserer Gegend damals etwas auf sich hielt, hatte zumindest eine Vase oder einen Bierkrug vom Papa.“ Ihr Vater fehlt ihr sehr, er ist vor sieben Jahren verstorben.

DIE TOCHTER HAT DAS LETZTE WORT Zuvor hatte er ihr aber alle Geheimnisse verraten und sein Lebenswerk in ihre geschickten Hände gelegt. Silvie ist ja praktisch in der Wagenhamer Werkstätte aufgewachsen und hat sich von Kindheit an nirgendwo wohler gefühlt als hier. Später ist sie mit ihm wieder nach Stuttgart gegangen, wo er unterrichtet und sie als Gastschülerin fleißig gelernt und auch gearbeitet hat. Es waren Jahre des Hin und Hers, da sie sich auch um ihre Tochter Dagmar kümmern musste, die sie sehr jung bekam. „Natürlich war sie bei der Oma und in unserer großen Familie gut aufgehoben, aber es hat mich wieder nach Hause gezogen“, erzählt Silvie.
Sie machte die Meisterprüfung und übernahm die Töpferei. Heute ist Dagmar Architektin in Köln, aber Mutter und Tochter sind eng verbunden. „Ohne Dagmar geht gar nichts. Von ihr kommen viele Ideen. Sie ist die letzte Instanz, wenn es um neue Kreationen geht“, sagt Silvie. Der Meisterin liebster Ort ist nach wie vor die Werkstätte, in der seit Jahrzehnten nichts verändert wurde. „Ist auch nicht notwendig, alles funktioniert“, sagt sie lachend. 60 Jahre ist sie mittlerweile und in Pension, ihre Kunst aber betreibt sie weiter als Hobby. Daran, dass sie nicht mehr unterrichtet, muss sie sich erst noch gewöhnen. Zwölf Jahre hat sie an der Fachhochschule Salzburg angehenden Ergotherapeuten das Töpfern beigebracht. „Das fehlt mir jetzt“, sagt sie mit leicht wehmütigem Unterton.

EIN MUSEUM FÜR VATERS SCHÄTZE Im Raum neben dem Brennofen hütet Silvie Vaters unverkäufliche Schätze in einer Art Museum. Die alten Regale sind bis unter die Decke gefüllt mit Bierkrügen, Teekannen, Blumentöpfen und was man sonst noch alles aus Keramik machen kann. Im Raum dahinter sind Silvies Stücke ausgestellt: Kerzenständer, Fische, Häferl und Teekannen. Letztere sind besonders schwierig zu töpfern. Henkel, Ausgießer und Gefäß „sollen eine harmonische Einheit sein und nicht wie draufgepickt ausschauen“, sagt Silvie. „Außerdem muss es sich gut ausschenken lassen und darf nicht blubbern.“ Altes bewahren und Neues daraus entwickeln, lautet ihr Credo. „Wenn du nicht mit der Zeit gehst, gehst du mit der Zeit“, sagte ihr Vater schon immer – und dass es eine Kunst sei, einfache Dinge gut zu machen. Das kann man getrost von den Neuheiten behaupten, die Silvie gemeinsam mit Mike
Hölzl entwickelt hat.

Es sind Keramiken, die zum einen mit Metall und zum anderen mit Holzstücken verbunden sind. „Schwemmholz hat es mir angetan“, sagt Silvie, die von einer Segelreise mit einem ganzen Koffer davon heimgekommen ist. Die von Wasser und Steinen zu bizarren Skulpturen geformten Äste machen sich gut mit dem Ton. „Ohne Schnickschnack, so reduziert wie möglich, damit das Ursprüngliche erhalten bleibt“, erklärt Silvie. Dafür müssen die beiden ihr ganzes handwerkliches Können anwenden. Schließlich soll Metall oder Holz mit den Gefäßen verschmelzen. „Nicht so einfach“, sagt der studierte Maschinenbauer Mike, „denn Holz und Metall bleiben gleich, der Ton schrumpft beim Brennen.“ Viel haben die beiden dafür experimentiert, aber jetzt klappt es. Herauskommen spannende Stücke voller Gegensätze. Geometrische glatte Formen sind mit dem rauen, unebenen Ton verbunden.

Der Ofen kann erst am Tag nach dem Abkühlen geöffnet werden. „Jedes Mal eine Überraschung“, gesteht Silvie, weil sie nie weiß, was herauskommt. Jetzt endlich gibt der Ofen sein Gut frei, das sich in schillernde Stücke verwandelt hat. Die Meisterin prüft eines nach dem anderen mit ernstem Blick. „Alle in Ordnung“, sagt sie erleichtert, und dabei leuchten ihre Augen.

 

KERAMIKKUNST AUS OBERÖSTERREICH

Die Keramik-Manufaktur Pasch ist engmit dem Bildungsunternehmen Merz in Stuttgart verbunden. Das Anliegen von Architekt Albrecht Leo Merz (1884–1967) bestand in ganzheitlicher Bildung. Dazu gehört auch schöpferisches Gestalten. Rudolf Pasch hat dort viele Jahre unterrichtet und seine handwerkliche Kunst weitergegeben. Mit seinem fortschrittlichen Sinn hat er die oberösterreichische Keramikkultur zu neuem Leben erweckt, indem er Einfachheit und Klarheit der Formen propagierte. Weithin bekannt wurde die Keramik-Manufaktur Pasch durch die Kupfertechnik, bei der das facettenreiche Schillern erst beim Brennen entsteht. Weil die Glasur fast unsichtbar ist, kommt es auf die Pinselstriche an, die großes Gespür erfordern. Sind sie gelungen, ist auch das Ergebnis einzigartig. Rudolf Pasch entwickelte
spezielle Formen und Techniken auf seiner Töpferscheibe. Seine Tochter Silvie Pasch setzt dieses Wirken fort.

Keramik-Manufaktur Silvie Pasch
Wagenham
23, 5230 Mattighofen
Tel.: +43/7742/25 33
www.keramik-manufaktur.com

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