Die letzten ihrer Zunft

 

Fotos: Claudia Zeischka

Aus „Die ganze Woche“, Ausgabe 11. Juni 1992

Blaudruckstoffe waren einst nichts Besonderes. Heute sind sie Rarität. Nur noch ein Burgenländer versteht sich auf diese Färbekunst.

Ein schwedischer Altertumsforscher hat seinem Handwerk ein ganzes Buch gewidmet. Eine Australierin trat nur seinetwegen die lange Reise nach Österreich an. Und eine Dänin übte sich in seiner Werkstätte die Finger wund, um die Grundgriffe zu erlernen, die sie in ihrer Heimat weitergeben will.

Es geht um Josef Koo und seinen Beruf. Er ist Blaudrucker.  Dieses Gewerbe war einst in jedem größeren Ort vertreten. Um Stoffe für die traditionelle Alltags- und Arbeitskleidung der Landbevölkerung herzustellen.

Josef Koo, 66, aus dem burgenländischen Steinberg-Dörfl ist heute der einzige, der sich noch auf diese Kunst versteht. Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth ist er in der wärmeren Jahreszeit unermüdlich am Färben.

„Ich sollt‘ ja schon länger in Pension sein, aber wenn ich aufhör‘, gibt’s auch keinen Blaudruckstoff mehr“, lacht der Meister, der bewundernd auf seine Elisabeth blickt: „Ohne meine Frau ginge es nicht. Aber sie ist so tüchtig und einfallsreich, wir spornen uns gegenseitig an.“ „Ich bin eben Lehrmädchen und Assistentin in einem“, sagt die fesche 58-Jährige.

Jetzt zuzusperren wäre auch wirklich schade, wo doch seit einigen Jahren die Nachfrage wieder steigt. Was bis vor 40 Jahren als Selbstverständlichkeit galt, ist heute zur Besonderheit geworden. Denn diese bestimmte Art von dunkelblauem Baumwollstoff mit zartem weißen Muster ist längst zur Rarität geworden. Josef und Elisabeth Koo stellen sie in althergebrachter Handarbeit her. Und es dauert seine Zeit, bis einige Meter Stoff fix und fertig sind. (Der Name Koo kommt übrigens vom ungarischen Großvater.)

Die Blaudruck-Technik stammt aus dem Orient und ist in Mitteleuropa seit etwa 300 Jahren bekannt. Die Bezeichnung ist ein wenig irreführend, da nicht blau gedruckt wird, sondern ähnlich wie beim Batiken das Muster durch Abdecken ausgespart wird.

Zuerst hängt Elisabeth das dichte weiße Bauwollgewebe zum Bleichen in die Sonne. Dann kommt der Meister an die Reihe. Er bedruckt die Stoffbahnen. Mit uralten Holzmodeln auf welchen sich die mit Messingstiften gestichelten Muster befinden. Josef drückt mit der Model, die er immer wieder in eine grüne Paste (den sogenannten Papp) taucht, dem strahlenden Weiß seinen Stempel auf. Die bedruckten Bahnen müssen tagelang trocknen, ehe sie Josef zum Färben in die Sternreifen einspannt. Durch das Aufspießen auf die Messinghaken entstehen an den Rändern die typischen Löcher, die ein Qualitätsmerkmal sind. Nun wird der Reifen in die gemauerte Farbwanne (Indigo-Küppe) eingetaucht. Den Vorgang wiederholt Josef viele Male, bis der Ton passt. Dann wird das Gefärbte geschwemmt, der Papp löst sich, und das weiße Muster kommt hervor.

Josef ist besonders stolz auf sein Indigo. „Es ist nämlich noch eine echte Pflanzenfarbe aus dem Jahr 1880. Mein Vater hat im Krieg eine aufgelassene Blaudruckfabrik gekauft. Und jetzt hab ich bis ans Lebensende genug Farbe“, sagt Josef, der zwei Kinder, aber noch keinen Nachfolger für den Betrieb hat. Trotz der mageren Zeiten, die durch die Kunstfasern in den 50er-Jahren einbrachen, blieben Josef und Elisabeth ihrem Handwerk treu. Unverdrossen luden sie an jedem Wochenende ihre Ware ins Auto und verdingten sich als Marktfahrer. Damals begann Elisabeth, selbstgenäht Polster, Topflappen und Schürzen anzubieten. Auch Tischdecken und Seidentücher sind im Angebot.

Heute müssen die beiden nicht mehr mühsam auf die Walz gehen. Die Leute kommen von selbst, um einzukaufen – oder ihnen einfach bei der Arbeit zuzusehen.

Denn so etwas sieht man nicht alle Tage.

 

Anmerkung 2017: Die Blaudruckerei ist nach wie vor in Besitz der Familie Koo:

www.originalblaudruck.at

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