Er schmiedet Rüstungen für die ganze Welt

Fotos: Christiano Tekirdali

Aus „Die ganze Woche“, Ausgabe 15. März 1990

Johann Schmidberger, ein Schmied aus Molln in Oberösterreich, kann auf eine 200-jährige Tradition seiner Väter zurückblicken. Um seine Zukunft in dieser Zunft zu sichern, musste er sich jedoch nach Neuem umsehen. Und entdeckte ganz Altes.

Behäbig in eine Mulde gedrückt, steht sie da, die alte Schmiede. Rußgeschwärzt die dicken Gewölbemauern, Glut in der Esse, an der Decke ein Ungetüm von einem Blasbalg, an den Wänden reihenweise Zangen, Hämmer und Schlegel. Am Boden und in den Fensternischen verrostete Figuren, Schlittenkufen, Beschläge, Hufeisen und Grabkreuze. In einer anderen Ecke blank polierte Schwerter und nagelneue Rüstungsteile.

Das ist die Welt des Johann Schmidberger. Von Beruf Schmied. Allerdings ein ganz besonderer. Er hat sein sterbendes Handwerk mit der Fertigung von Altertümlichem wiederbelebt. Der Schmied Schmidberger aus dem oberösterreichischen Molln klopft Schwerter, Hellebarden, Fuhrmannskassen und Rüstungen aus dem Eisen. Sehenswert sind auch die Truhen und Kassetten mit undurchschaubaren Schlossmechanismen. Kunstwerke, die nicht zu knacken sind. Er arbeitet genauso, wie es bei seinen Zunftbrüdern vor Jahrhunderten schon üblich war.

„Um der alten Schmiedekunst gerecht zu werden, genügt es nicht, stilechte Formen herzustellen. Auch die Technik der Verarbeitung muss stimmen“, sagt Schmidberger, 39. Und so werden seine Stücke gemäß der Tradition mit Eisenstiften vernietet, feste Verbindungen im Feuer geschweißt und Ätzornamente nach einem Rezept aus dem 15 Jahrhundert aufgebracht. Der Meister verwendet keine modernen Maschinen. Sie würden auch gar nicht in die Schmiede passen, in der seit 300 Jahren nichts verändert wurde und die im Steyrtal längst als Kulturdenkmal gilt. Als eine der letzten Stätten, die noch vom einst blühenden Eisenhandwerk in dieser Gegend zeugt.

Mag gar mancher den „eisernen Johann“ vor sechs Jahren belächelt haben, als er sich das erste Eisenkostüm maßschneiderte, heute ist er in Fachkreisen ein anerkannter Kunstschmied. An ihn wenden sich Museumsdirektoren, Forscher, Schlossherren und Burgenvereine aus ganz Europa, um dem Oberösterreicher heikle Restaurierungsarbeiten zu übertragen oder Spezialanfertigungen zu bestellen. Mittlerweile kann sich Schmidberger bereits über seinen Weltruf freuen. „Was wir an Post erhalten, ist wirklich toll“, sagt Hildegard, 34, seine Frau und Mutter seiner fünf Kinder. „Der Hans arbeitet für Australier, Amerikaner und Japaner. Die sind ganz wild auf die alten Waffen, die er originalgetreu schmiedet“, erzählt sie. 

Und im kanadischen Toronto wird demnächst ein neuer Brunnen einen Platz zieren. Geschaffen vom Schmied Schmidberger, der gleich mehrere Eisen im Feuer hat: „Auf dem Brunnen sollen die vier Jahreszeiten dargestellt werden. Dafür fertige ich verschiedene, bis zu zwei Meter hohe Figuren. an. Das erste Modell ist bereits in Kanada“, berichtet der Meister. Für ihn ein sehr reizvoller Auftrag, weil er damit ein zeitgenössisches Denkmal schmieden kann.

Ganz anders ergeht’s ihm mit einer Arbeit, die ein deutscher Wissenschaftler von ihm verlangt: Johann Schmidberger soll die eiserne Hand des Götz von Berlichingen (dank Goethe auch für ein deftiges Zitat jedermann bekannt) nachbauen. Der Ritter, dem 1504 die rechte Hand‘ weggeschossen wurde, ließ sich die berühmte „Eiserne anfertigen. „Sie hat einen unglaublich komplizierten Mechanismus. Derzeit brüte ich nächtelang über den Plänen“, sagt Schmidberger. Vor ihm haben sich schon etliche Experten mit der „Götz-Faust“ beschäftigt. Bis jetzt ist noch keinem der Nachbau gelungen.

Für diese Hand werden vermutlich noch viele Nächte draufgehen. Dabei kann der Meister über die Auftragslage ohnedies nicht klagen. Leider aber über Nachwuchs. Er gibt zwar sein Können an einen talentierten Lehrling weiter, hätte aber genug für ein oder zwei weitere Leute zu tun. „Es ist einfach niemand für diese Arbeit zu finden“, bedauert er.

Bleibt zu hoffen, dass einer seiner Söhne einmal so glücklich schmiedet wie er. Christian, 12, hilft bereits in der Werkstätte und präsentiert stolz seine selbstgeschmiedeten Nägel. Hans, 8, schwört, dass er ebenfalls Schmied werden will, Georg, 6, hält sich raus. Nesthäkchen Lisi, zweieinhalb Jahre, natürlich auch. Und Andrea, 15, „malt“ begeistert mit der Mutter Metallbilder. Hilde Schmidberger hat sich dabei auf Tierkreiszeichen spezialisiert. Die Motive werden in Messingplatten geätzt. Versteht sich, dass wiederum der Meister dieses Verfahren entwickelt hat.

Und somit ist im Hause Schmidberger jeder voll beschäftigt. Langeweile kennt diese Familie wirklich nicht.

Anmerkung 2017: Die Schmiede wurde tatsächlich von den Söhnen übernommen:

www.schmiede-schmidberger.at

Diesen Beitrag als PDF herunterladen