Fotos: „Die ganze Woche“
Aus „Die ganze Woche“, Ausgabe 2. Dezember 1993
Weil seine Söhne als Krampusse gehen wollten, begann ein Steirer mit dem Schnitzen der teuflischen Masken. Da er sich von keiner trennen will, hat er inzwischen eine beachtliche Anzahl beisammen. Aber einmal im Jahr verleiht er sie.
Am Krampustag geht’s wieder höllisch her im steirischen Gußwerk. Am späten Nachmittag finden sich eine Horde Burschen und ein Mädchen in der Tribeinsiedlung ein. Dort wohnt Sepp Troger, der Krampusvater.
Die Garage und zwei Zimmer seines Hauses sind vollgeräumt mit furchterregenden Masken, Kuhglocken, Ketten, Ruten und wüsten Fellgewändern. Letztere verbreiten einen ziemlich strengen Geruch. Deshalb werden auch die Felle nach dem Treiben in den Keller verbannt. Jetzt hängen sie aber griffbereit im „Ankleidezimmer“ der Krampusse. Alles Zubehör ist von Sepp vorbereitet und ausgebessert, damit er ja nicht im letzten Moment in Teufels Küche gerät. Sepp macht nämlich alles selbst. Er schnitzt die dämonischen Masken, näht die Zottelfellmäntel und organisiert den Gußwerker Krampuslauf. Er stellt praktisch einen Einmannbetrieb in Sachen Brauchtum dar. Jetzt hat er nur noch die eine oder andere seiner Schöpfungen zu bearbeiten: die kuriosen Larven, die zum Teil voll beweglich sind und bis zu 15 Kilo wiegen.
„Angefangen hat alles Ende der siebziger Jahre, als meine Buben unbedingt als Kramperl gehen wollten. Also hab‘ ich ihnen Larven geschnitzt. Dann kamen einige ihrer Freunde dazu, und so entstanden immer mehr Krampusmasken“, erzählt Sepp Troger, 54, Vater dreier Söhne und hauptberuflich beim Telegrafenbauamt tätig. 30 kunstvoll geschnitzte und diabolisch bemalte Masken aus Lindenholz sind es derzeit. Für das Innere der höllischen Gebilde verwendet Sepp alles, was ihm unterkommt – vom ausrangierten Sturzhelm bis zum alten Autogurt. Und jede Menge Schaumgummi. „Die Masken müssen gut gepolstert sein, damit sich keiner verletzt“, sagt Sepp, der für die Herstellung eines seiner Stücke gut 50 Stunden braucht.
Er fertigt sie nach eigenen Skizzen oder einfach aus dem Kopf. Doch immer wieder steht einer Pate: der Rotsohler. Eine wilde Krampusgestalt aus dem Mariazeller Land, die seit Generationen nicht nur Kinder erzittern lässt. Der Sage nach trägt diese wilde Erscheinung einen zotteligen Pelz und sechs Hörner auf dem grauenerregenden Schädel. Dazu hinkt er auch noch auf einem Pferdehuf einher. Brrrrrrr. Alle drei bis sieben Jahre kommt er zu den schlimmsten Kindern. Sonst aber ist er angekettet am Stamm des Nikolokreuzes, das sich in der Umgebung, der Rotsohl, befindet. Ganz genau weiß man das nicht, aber irgendwie dürften Bergknappen, die einst hier nach Erz schürften, für das „Entstehen“ des Rotsohlers gesorgt haben. Wer weiß, vielleicht haben die Menschen den Teufel auch in einem der Erzarbeiter gesehen. Diese kamen ja nur einmal in der Woche ins Dorf, ungewaschen, kohlschwarz und ausgehungert – in jeder Beziehung.
Wie auch immer, am Sonntag schlüpfen die jungen Männer in diese Gestalt, laufen lärmend durch Gußwerk und toben sich aus. „Allerdings nicht bei den jungen Mädchen, die früher gerne verfolgt und auch verdroschen wurden. Das gibt’s nicht. Meine Krampusse dürfen das nur andeuten“, stellt Sepp „seinen Kindern“ gleich von vornherein die Rute ins Fenster.
Ja, und das einzige Mädchen verkleidet sich als „Habergoaß“. Auch so eine alpenländische Sagengestalt. Die Habergeiß, eine boshafte Hexe, halb Vogel, halb Geiß, gilt in der Steiermark und in Kärnten als eine Erscheinungsform des Teufels. Passt also gut zu den wilden Krampussen, die für einige Stunden den Ort beherrschen dürfen. Dann geht’s wieder ab zu Trogers Haus, wo die Demaskierung stattfindet. „Ich behalte die Larven alle bei mir und verkaufe sie auch nicht. Sie würden sich nur nach und nach verlieren“, sagt Sepp, der schon unheimlich viel Geld in seine Leidenschaft investiert hat.
Damit ihn nicht der Finanzteufel holt, sammeln Gußwerker Frauen nach dem Umzug freiwillige Spenden. Mit dem Geld kann er dann neue Zottelpelze und Ziegen-bockhörner anschaffen. Eine neue Maske fürs nächste Jahr schnitzt er sowieso.