Neid – Das Gefühl aus dem Hinterhalt

Peinigender Neid zieht sich durch die ganze Gesellschaft. Wie man diese Regungen für sich nutzen kann.

„Die Menschen tun viel, um geliebt zu werden. Alles aber setzen sie daran, um beneidet zu werden.“ Marc Twain

 

Das neue Cabrio der Freundin, der Swimmingpool des Nachbarn, die Weltreise des Kollegen, das geerbte Geld des Freundes oder die Macht des Chefs haben eines gemeinsam: Sie erwecken Neid. Das unangenehme Gefühl aus dem Hinterhalt, das im Inneren nagt, das schmerzt und aushöhlt. Und das tief
verbunden ist mit dem Gefühl der Ungerechtigkeit. Man wird „gelb vor Neid“, wieder Volksmund sagt. Schon im Mittelalter war Gelb die Farbe der Bosheit, des Todes und des Neides. „Neid verändert tatsächlich die Gesichtszüge, der Blick wird starr,  die Gesichtsfarbe fahl. Neid macht eben krank“, sagt Klaus Bolzano. Der Salzburger Facharzt für innere Medizin beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema, weil „es mich in meiner Praxis förmlich angesprungen ist“. Bei vielen seiner Hochdruckpatienten, die ständig auf der Jagd nach dem waren, was andere hatten. „Dadurch standen sie buchstäblich permanent unter Druck und kamen nie zur Ruhe.“

Unbegründet Wir neiden anderen Aussehen, Ansehen, Besitz, Macht und Glück. Was steckt dahinter? Warum gönnen wir anderen nichts? „Weil wir glauben, die anderen haben alles – und wir nichts“, sagt der Doktor. „Dabei wissen wir gar nicht, wie es den anderen wirklich geht. Würden wir einmal dahinter schauen und uns gegenseitig unsere Nöte erzählen, könnten wir uns helfen.“ Weil wir das aber nicht tun, werde die Neidgesellschaft immer größer. Während uns das Riesenvermögen von Bill Gates oder die Berühmtheit von Madonna eher kaltließen, könne uns jedoch der Vergleich in unserem Umfeld zur Raserei treiben: „Wenn jemand das hat, was uns fehlt.“

Über dieses vernichtende Gefühl zu sprechen, das in der katholischen Kirche zu den sieben Todsünden zählt, sei tabu. „Diese Regungen werden versteckt – meist auch vor sich selbst.“ Gelegenheit, zum Neider zu werden, gebe es viele. Die Ursache, dass man es überhaupt wird, liege meist in der Kindheit. „Da bekam der Mensch irgendwann das Gefühl vermittelt, selber nicht wertvoll zu sein. Die Eltern haben aus ihm nicht das Eigene herausgeholt, sondern in ihr Schema gepresst“, sagt Bolzano. „Wenn wir die Eigenheiten der Kinder zu wenig beachten – und das ist oft der Fall –, kann es später zur Selbstverachtung kommen: Man ist nichts wert, alle anderen sind mehr wert.“ Durch dieses Defizit entstehe das Bedürfnis, das zu besitzen, worum man andere beneidet. „In Wahrheit ist es Lebendigkeit und Glück. Aber nachdem man das nicht fassen kann, zurrt man sich an irgendwelchen Objekten fest oder am Ansehen oder an der Macht des Beneideten.“ Und trotzdem befriedige es auf Dauer nicht, denn auch wenn das Begehren gestillt ist, ändere sich der Mensch  dadurch nicht: „Er  wird nicht wertvoller.“

Und so gehe es weiter und weiter. „Wer durch puren Neid nach Dingen strebt, wird nie sein Glück finden“, warnt Bolzano.„ Auch wer auf diese Art die Karriereleiter immer höher steigt und viele Opfer hinter sich lässt, wird ständig enttäuscht werden.“ Das bedeute aber keineswegs, dass man nichts erreichen soll. Auf das Wie komme es an. Die richtige Dosis Neid könne auch ein Antrieb sein, seine Position zu verbessern oder im Wettbewerb die Nase vorn zu haben. „Als chronisches Leiden aber ist Neid schädlich.“

Zerstörerisch Und umgekehrt: Warum macht es Freude, beneidet zu werden? Das sei sehr wichtig für den Neider, weil es dann jemanden gebe, der an seine Position glaube. Er selber tue das ja nicht. „Wer sich nur von außen orientiert und andere nachahmt, zerstört sein Wesen. Solche Leute fragen sich nicht, wer sie eigentlich sind“, so Bolzano. „Die größte Genossenschaft auf Erden ist die Neidgenossenschaft“, sagte schon Helmut Qualtinger. „Er hatte recht“, meint der Arzt, „der Neid zieht sich durch unsere ganze Gesellschaft. Er ist eine richtige Krankheit, die vielen anderen Störungen zugrunde liegt. “Durch Neid und Missgunst komme es zu List, Lüge und Gewalt. „Und dadurch tragen wir zum allgemeinen Unfrieden bei.“ Neid sei ein Ungetüm, das nie satt werde. Neid enttäusche und verlocke zum „Immermehr“. Doch Geld, Position und Ansehen bringen nicht das erwünschte Lebensgefühl und auch keine Erfüllung. „Geliebt fühlen sich solche Menschen trotzdem nicht“, so der Neidforscher, „und lieben können sie auch nicht. Weil sie im Grunde leer sind.“

 

Psychologie: So meiden Sie die Neidgesellschaft 

Einsehen „Gestehen Sie sich Ihre Neidgefühle ein und versuchen Sie,  diese zu analysieren“, empfiehlt die  Wiener Psychologin Christa Walk. „Finden Sie heraus, welches Bedürfnis bei Ihnen nicht befriedigt wird.“ Ist es wirklich das neue Auto oder die sündteure Urlaubsreise der Freundin? „Vielleicht ist es etwas ganz anderes, das an Ihnen nagt und Ihren Selbstwert mindert.“

Umdenken Haben Sie entdeckt, was wirklich dahinter steckt, können Sie Ihre Neidgefühle als Signal setzen und ins Positive drehen. Etwa mit einer Diät beginnen oder sich im Fitnessstudio einschreiben lassen, wenn man ständig andere um ihre durchtrainierten Körper beneidet. Oder Klavierspielen lernen oder einen Fortbildungskurs besuchen, wenn die Schwächen auf diesen Gebieten liegen.

Werbung Lassen Sie sich von ihr nicht beeinflussen, denn sie zielt zum Teil hemmungslos auf unseren Neid. Oft suggeriert Werbung, dass jemand, der sich ein angesagtes Produkt nicht leisten kann, auch nicht dazugehört. Stimmt nicht. Ein teures Designer-Tascherl oder das trendigste Handy machen zwar Spaß, von Grund auf glücklich aber nicht.

Möglichkeiten „Bei einem Objekt Ihrer Begierde überprüfen Sie zunächst, ob es eine Möglichkeit gibt, es zu erreichen“, rät Walk. „Ist es der Fall, streben Sie es an. Wenn nicht, vergessen Sie es und sagen Sie sich, dass man nicht alles haben kann.“ Und immer daran denken: Diese Empfindungen sind quälend und schlecht für die Lebensqualität.

Chancen Neid auf Liebe, Schönheit, Zufriedenheit tut besonders weh. Sehen Sie es so: Dass jemand anderer glücklich ist, eine gute Beziehung und Erfolg im Beruf hat, zeigt doch, dass das alles möglich ist. Deshalb nicht ins eigene Pech versinken, sondern Chancen erkennen.

Befreiung Starren Sie nicht neidvoll auf den Besitz der anderen – so werden sie nur Opfer gesellschaftlichen Drucks. Wer Lebensglück mit Konsum gleichsetzt,  geht zwar mit vielen Mitmenschen konform. Zufrieden wird er nur, wenn er sich von dem Druck befreit.

 

Erschienen im KURIER, im Jänner 2008