Schieflachen wirkt

Wahrsagerin zur Ehefrau:  „Morgen stirbt ihr Mann.“ „Ich weiß“, sagt die Frau. „Mich interessiert nur, ob ich freigesprochen werde.“

Die einen zerkugeln sich über einen Witz, andere kostet er nur ein müdes Lächeln.  Je nach Gusto und Situation eben – und eigentlich nicht sowichtig. Für Humorforscher aber schon, denn für sie sind Witze das, was Labormäuse für  Genforscher sind. Mit Witzen testen sie, was den Menschen zum Lachen bringt.

„Der Sinn für Humor kann sowohl vererbt wie auch erworben werden“, sagt Psychologe Willibald Ruch, Professor an der Universität Zürich. „Wobei hinter der Vorliebe für Witze mit sexuellem Inhalt eine starke erbliche Komponente steckt – und im Gegensatz dazu, Nonsens-Humor meist im Laufe des Lebens gewonnen wird. Humor ist also trainierbar. Der gebürtige Kärntner hat sich der Positiven Psychologie verschrieben und erforscht seit 27 Jahren die heitere Seite des Menschen. Willibald Ruch ist Europas führender Humorspezialist.

„Humor ist wichtig für die Erforschung der Persönlichkeit, den Umgang mit Stress, Schmerzen und Gesundheit“, sagt er. Ein Allheilmittel ist er leider nicht. Dass dem Lachen nachgesagt wird, es senke den Blutdruck und verhindere Herzinfarkt, findet er überhaupt nicht lustig. „Dafür gibt es keine Belege, weil es gar nicht erforscht wurde. Es wird eine Menge Pseudowissenschaft verbreitet“, sagt der Professor. Und: Ja, Lachen senke den Blutdruck, aber nur für eine Sekunde. Eine normale Reaktion auf das heftige Ein- und
Ausatmen.

Effektvoll Dafür hat das Lachen auf einem anderen Gebieteine ausgezeichnete Wirkung – nämlich in der Schmerztherapie. „Hier hat Darwin bereits 1872 vermerkt, dass Menschen häufig in Situationen lachen, die eigentlich sehr schmerzvoll sind“, so Ruch. Etwa Soldaten, die im Krieg miterleben, wie der Kamerad neben ihnen erschossen wird. Oder wenn jemand die Nachricht vom Tod eines nahen Menschen erhält. Der Schock bewirkt, dass Betroffene in Lachen ausbrechen, um die Situation ertragen zu können. „Auch nach chirurgischen Eingriffen genesen Leute schneller, wenn sie lachen“, so der Forscher, der nachweisen kann, dass Menschen, die vorher einen lustigen Film anschauen, später über eine höhere Schmerztoleranz verfügen. Für dieses Experiment mussten die  Versuchspersonen ihre Arme möglichst lange in Eiswasser halten. Wenn sie zum Lachen gebracht wurden, ertrugen sie die Kälte viel besser. Der Effekt hielt eine halbe Stunde an. In einer weiteren Studie fand Willibald Ruch heraus, dass eine Humortherapie nachhaltig bei Menschen mit der Lungenkrankheit COPD wirkt. Es wurde eine
deutliche Verbesserung der Atemfunktion gemessen. Für die Wirkung ist es essenziell, ob es sich um ein echtes Lachen handelt oder nicht. Die Humorforschung unterscheidet nämlich bis zu zwanzig verschiedene Möglichkeiten des Lachens und Lächelns, aber nur eine
steht für Freude, und zwar jene, bei der die Mundwinkeln angezogen und die Krähenfüße sichtbar sind. Nur diese Art wirkt. Alle anderen sind auf diesem Gebiet wirkungslose Gesten – vom Gefälligkeits- bis zum Verachtungslächeln.

Lustvoll Die Zeit bringt es oft mit sich, dass das Komische im Leben übersehen und aufs Lachen vergessen wird. Nicht so bei Kindern. Sie lachen noch hemmungslos. Die deutsche Neurologin Barbara Wild weiß, warum:
Sie hat ein Hirnareal entdeckt, das wie ein Schalter wirkt. Es entscheidet darüber, ob wir etwas lustig finden oder nicht, und gibt den Startschuss zum Lachen. „Überraschend bei dieser Funktion ist, dass sie das Lachen nicht einschaltet, wenn wir etwas lustig finden, sondern dessen Unterdrückung
ausschaltet“, erklärt Ruch. Das heißt, wir sind die ganze Zeit damit beschäftigt, unsere Mimik im Griff zu behalten. Und Kindern gelingt das noch nicht so gut.

Stichwort Positive Psychologie

Was? Die Uni Zürich ist das europäische Zentrum der Positiven Psychologie – einer jungen Wissenschaft, die seit knapp zehn Jahren die guten Aspekte des menschlichen Miteinander erforscht. Sie stellt zentrale Lebensthemen wie Glück, Optimismus, Solidarität oder Vertrauen in den Vordergrund.

Wie? Die Stärken des Menschen sollen erkannt und zum Einsatz gebracht werden – ganz im Gegensatz zur klassischen Psychologie, die sich mit der Heilung psychischer Störungen beschäftigt. Positive Psychologie versteht
sich als ergänzende Sichtweise, mit Betonung auf die Dinge, die das Leben besser machen.

 

T R A I N I N G

An der Universität Zürich lief eine Studie über Humor-Training, an der 250 Schweizer teilnahmen. Dabei wurden während acht Wochen verschiedene Dinge erforscht und geübt. „Etwa den Humor aus der Kindheit wiederzufinden, das Kind in sich zu entdecken und den durch Erziehung, Schule und Beruf erworbenen Ernst zu analysieren“, sagt Ruch. „Das Spielerische wird oft unterdrückt und vergessen, weil wir fürchten, sonst nicht ernst genommen zu werden.“
Wichtiger Trainingspunkt: Das Lachen über sich selbst. Wer das aus vollem Herzen schafft, hat bereits die schwierigste Hürde genommen.
Ziel der Therapie: Den Sinn für Komik im Alltag zu schärfen und Humor zur Lebenserleichterung anzuwenden. Das kann bei Stress Wunder wirken, denn in Panik gelingt ohnehin nichts.
Bereits erste Auswertungen der Humorstudie zeigten, dass bei den Probanden die Lebenszufriedenheit zunimmt. Humor ist ein wichtiger Faktor. Willibald Ruch: „Die richtige Einstellung ermöglicht es, ernste Dinge sinnvoll zu lösen. Und jene, die nicht zu ändern oder unwichtig sind, von der komischen
Seite zu betrachten.“

 

erschienen im KURIER,  am 8. Jänner 2008