Seine Tiere gestalten die Landschaft

Heinz Bley, ein ehemaliger Schweine-Züchter aus dem Westen Deutschlands ist in den Osten gewandert und hat dort mitten in Thüringen ein Paradies geschaffen. Dies ist ihm deshalb gelungen, weil er den Tieren und der Natur freien Lauf gelassen hat. Seine liebevoll Thüringeti genannte Landschaft beruht auf einem einzigartigen Versuch, der voll aufging und Augenweiden am Rande des Thüringer Waldes entstehen ließ.

Ich hab‘s wirklich gut erwischt, denn ich werde fürs Nichtstun bezahlt.“ Gerne wirft Heinz Bley diesen Satz kokett in die Runde und verblüfft damit seine Gäste. Denn er steht in krassem Gegensatz zu dem, was sie gerade bewundern: Das weite Land, das vor ihnen liegt und in seiner natürlichen Pracht kein Ende zu nehmen scheint. Was Heinz Bley hier im thüringischen Crawinkel geschaffen hat, ist einzigartig.

Grüne Ebenen, hügelige Wälder, dazwischen üppige Sträucher und Blütenpracht in allen Farben. Am Horizont galoppiert soeben eine Horde Wildpferde um die Wette, weiter vorne ziehen Rinderherden gemächlich ihres Weges, Schafe grasen, Ziegen blöken. Übertönt werden die Tiere vom einzigartigen Vogelkonzert, zu dem die Schmetterlinge tanzen und Bienen emsig Nektar sammeln. Und das alles nur, weil Heinz Bley die Natur lässt, wie sie ist.

Und das kam so: „Ich komme ja aus Norddeutschland und hatte viele Tiere, 100 Kühe und 1000 Schweine. Damit war meine Welt in Ordnung“, erzählt Heinz Bley. „Aber dann kam die Wende und alles war anders. Mit der Viehwirtschaft ging es bergab, auch weil mir die industrielle Fleischproduktion nicht mehr behagte.“ Genau zu dieser Zeit verliebte er sich in seine Frau Ingrid, die Wurzeln in Thüringen hatte. Heinz Bley verließ seine Heimat und übersiedelte mit seiner Frau 1997 nach Crawinkel. „Wir kauften Land, wollten Ackerbau betreiben und anbauen, aber wir konnten dem Boden nicht ausreichend Weizen, Mais oder Raps entlocken.

Das Land erwies sich als karg, steinig und feucht. Bley plagten abermals finanzielle Sorgen, schließlich hatte er jetzt eine Familie zu erhalten. „Ich war schon ziemlich verzweifelt, als ich von einem Projekt der Europäischen Union erfuhr, das den belohnt, der Boden und Landschaft in Ruhe lässt. „Es gibt Geld dafür, dass nicht gedüngt, nicht gespritzt wird, dass das Land Land sein kann. Meine Frau und ich haben nicht lange überlegt – und angesucht.“ Mit Erfolg. Denn sein Gebiet gilt als von der Natur benachteiligt, weil es Schräglage hat, im Schatten liegt und voller Steine ist. Und genau deshalb gut ins EU-Konzept passte.

Entlohnung fürs Nichtstun

Leute vom Umweltministerium kamen und unterwiesen ihn in der Ruhigstellung des Bodens. Biologen erklärten ihm, wie tote Täler zu blühenden Landstrichen werden können. „Aus der Sicht des Bauern eine merkwürdige Sache. Aber ab sofort hieß es, je weniger wir tun, desto mehr Erschwerniszulage bekommen wir.“ Also ließ er die Hecken, Kalkäcker, Nasswiesen, Auen, Bachtäler und Bergmähwiesen sein wie sie waren. Und siehe da, es funktionierte. Überall dort, wo Heinz Bley nichts tat, hat sich von selbst ein Paradies entwickelt. Auf einer Fläche von 2500 Hektar, wovon er 1800 gepachtet hat und 700 ihm gehören.

Wir waren überrascht, wie schnell sich der Erfolg einstellte. Pflanzen gediehen und Tiere kamen.“ So etwa der Wiedehopf, der als Barometer für aktive Weidelandschaft gilt. „Es ist interessant zu beobachten, was alles kommt und was geht. Alles ist täglich anders und neu, die Natur ändert sich ständig“, erklärt der 59-Jährige. Abgestorben ist zum Beispiel der Holunder. Aber das ist dennoch ein gutes Zeichen, weil sich dadurch der Steinkauz wieder angesiedelt hat. Die Samenverbreitung vieler Pflanzen wird durch Weidetiere begünstigt. Kletten, Labkraut oder Trespen heften sich ans Fell und besiedeln so neue Orte.

Tierische Landschaftsarchitekten

All das machen Tiere und Pflanzen allein. Die Tiere sind Landschaftsgestalter.“ Durch das Weiden schaffen sie verschiedene Strukturen von abgefressenen Plätzen bis zu neuen Gehölzentwicklungen. Diese dienen anderen Tieren als Lebensquelle. Ameisen, Hasen, Braunkehlchen, Schmetterlinge oder Reiher können hier ein beschauliches Dasein führen. Rosen, Disteln, Kletten, Kräuter und Blumen sonder Zahl wachsen ungehindert und drücken dem üppigen Grün und Braun leuchtend bunte Tupfen drauf. 2500 Pflanzen und Tierarten wurden hier beim Tag der Artenvielfalt des Magazins „Geo“ gezählt. Eine Wucht! 700 Pferde, 600 Rinder, 130 Schafe und Ziegen sind inzwischen für die Landschaftspflege der „Thüringeti“ zuständig. Ingrid Bley hat dem Gebiet diesen Namen gegeben, weil es auch so eine Weite hat wie in Afrika die Serengeti.

Heinz Bley wurde nicht nur zum Öko-Landschaftspfleger, sondern auch zum Pferdezüchter. Er liebt es auf dem Rücken eines seiner Lieblinge durch die Thüringeti zu reiten, nach dem Rechten zu sehen und die bezaubernden Fohlen zu beobachten, die mit ihren Müttern über die Weiden fegen. Pferde haben hier überhaupt eine große Bedeutung gewonnen. Stutenherden bilden die Grundlage seiner Zucht, wobei in der schönen Jahreszeit ein Weidehengst die Herde begleitet, um die Nachkommenschaft zu sichern. „Die Fohlen leben ein halbes Jahr mit ihren Müttern. Danach werden sie abgesetzt und bilden eine Jährlingsherde unter der Leitung einiger Altstuten“, erklärt Heinz Bley. „Pferde und Kühe ergänzen sich bei der Weidelandschaftsgestaltung. Was der eine nicht mag, bevorzugt der andere.“

Das ganze Jahr im Freien

Die Thüringeti ist eine parkartige Landschaft mit Einzelbäumen und Baumgruppen, Hecken und Feldholzinseln. Die Menschen in dem benachteiligten Gebiet profitieren von der Landwirtschaft, die auf ganzjähriger Freilandhaltung von Weidetieren beruht. Es gibt Arbeitsplätze, sauberes Grundwasser und gesunde Fleischprodukte aus der Region.

Die Tiere können aus natürlichen Gewässern trinken und werden zusätzlich aus künstlich angelegten Tränken versorgt. Im Winter werden bei Bedarf Heu und Stroh zugefüttert oder als isolierende Liegefläche angeboten. Und: Die großen Standweiden haben eine geringe Besatzdichte. So weidet eine Kuh auf zwei Hektar. Die Weidetiere unternehmen täglich weite Wanderungen, haben feste Strukturen in den Herden und leben mit dem Jahreskreislauf.

Längst ist die Thüringeti ein Anziehungspunkt und Ausflugsziel für Natur- und Tierliebhaber geworden. Durch die Weidelandschaft wird das Wegenetz um den Ferienort Crawinkel für Wanderer, Mountainbiker und Reiter bereichert und bietet zahlreiche Erfahrungsmöglichkeiten für die Besucher, die ganz nah an die Tiere kommen. Besonders beliebt sind die Kutschfahrten und geführten Wanderungen. Aber auch geführte Safaris im Jeep sind möglich. Es gibt eine Reithalle und Lehrgänge sowie regelmäßig Auktionen, bei denen Pferde ersteigert werden können.

Die Agrar Crawinkel, Heinz Bleys Unternehmen, hat inzwischen 20 Mitarbeiter, die in Büro, Werkstätten oder als Ranger tätig sind. Seine drei erwachsenen Kinder Jan, Felix und Wiebke haben Hochschulabschluss und arbeiten auch mit. „Mitarbeiter und Kinder sind alle sehr fleißig – und da gibt’s noch mich, den faulen Bauern, den müssen sie mittragen“, scherzt Heinz Bley.

Alle Fotos: Heinz Bley, Agrar-Crawinkel

www.agrar-crawinkel.de