Was denkt sich eigentlich der Hund

Haben Hunde eine Seele? Können sie lieben, trauern oder Zorn empfinden? Und wie ist es um ihre Intelligenz bestellt? Das sind Fragen, die sich der Mensch immer wieder aufs Neue stellt. Die begeisterte Hundefreundin und Starmoderatorin Nina Ruge hat sich von einem Experten die Antworten geholt, die ebenso faszinierend  wie aufschlussreich sind. So unterschiedlich Zwei- und Vierbeiner auf den ersten Blick auch sein mögen, so bemerkenswert ist auf den zweiten Blick die Gemeinsamkeit in ihrem Verhalten.

Der Hund ist unser bester Freund und treuester Begleiter. So genau unsere Vierbeiner über unsere Gefühle Bescheid wissen, so wenig wissen wir über ihr Seelenleben. Die Moderatorin Nina Ruge, Deutschlands erste Hundebotschafterin, ging auf Spurensuche, um die Psyche der Hunde zu verstehen. Sie ist davon überzeugt, dass sie genauso fühlen wie Menschen. „Doch die Wissenschaft war da lange anderer Meinung“, sagt Ruge. „So kam ich auf die Idee, selbst einen Profi über den aktuellen Stand der Forschung zu befragen.“ Und Verhaltensforscher Günther Bloch hat geantwortet. Fragen und Antworten sind in dem neuen Buch „Was fühlt mein Hund, was denkt mein Hund“ erschienen.

Nina Ruge, lebt mit ihren zwei Hunden und setzt sich für ein besseres Zusammenleben von Mensch und Tier ein. Über ihre Vierbeiner sagt sie: „Lupo liebt mich, und für Vroni bin ich ein strahlender Stern. Ich weiß, was ich sehe, wenn ich in diese Augen schaue: unendlich tiefe Hundeliebe.“ Menschen und Hunde scheinen einfach füreinander geschaffen. Wohl kaum ein Tier spiegelt so sehr unser eigenes Ich wider. Die wichtigste Botschaft in der Kommunikation mit dem Hund: „Ich gehöre zu Dir“. Und die bleibt auch, wenn Hund und Mensch einmal unterschiedlicher Ansicht sind. Nur kapitale Verhaltensfehler können Mensch und Hund auseinanderbringen. „Es ist wohl das tiefe gegenseitige Verständnis, das Mensch und Hund so sehr zusammenschweißt. Wir spüren die bedingungslose Liebe unserer Vierbeiner“, sagt der Kanidenforscher Günther Bloch. „Das ist ein schönes, sicheres Gefühl – und vermutlich der Hauptgrund, warum wir Hunde halten.“

Haben Hunde eine Seele?

Ja, haben sie. Die Wissenschaft ist inzwischen davon abgekommen, nur dem Menschen ein Seelenleben zuzuschreiben. Das zeigte die Delfin- und Orkaforschung. Diesen Tieren wird ein Bewusstsein zugeschrieben. Ebenso den Kaniden, eben unseren Haushunden – und auch den Rabenvögeln. Zudem zeigt die Gefühls- und Hirnforschung, dass viele Tiere emotionale Regungen verspüren. Bloch hält es sogar für wahrscheinlich, dass der Urmensch Empathie, Ethik und Moral einst vom Wolf gelernt hat. Er weiß, dass er sich mit dieser Ansicht in eine Grauzone begibt. Es mangelt aber an Wissen über die Tierseele. Kann der Mensch wissenschaftlich belegbar beweisen, dass er eine Seele hat beziehungsweise, dass Hunde keine haben? „Wohl kaum“, meint Bloch, „und daher plädiere ich wie in der Rechtswissenschaft: Im Zweifel für den Angeklagten“.

Vierbeiner kennen und durchleben unterschiedliche Emotionen und zeigen sie auch, indem sie ihren Menschen mit großer Freude begrüßen, wenn er nach Hause kommt und traurig schauen, wenn er weggeht. Das zeigt, dass Hunde Gefühle haben, die unseren eigenen enorm ähneln. Dabei sollten sich Hundehalter nicht beirren lassen. Das Gefühlsleben kann nicht auf ihr Instinkt- und Triebverhalten reduziert werden. Worüber sie aber nachdenken sollten, ist, wann, wie und in welcher Form hundliche Emotionen zum Ausdruck kommen. Damit muss sich jeder Hundebesitzer ernsthaft auseinandersetzen – und er tut dies am besten, indem er die körpersprachliche Gestik und Mimik seines Hundes im jeweiligen Verhaltenszusammenhang tagtäglich beobachtet.

Diese Beobachtung ist eine wichtige Aufgabe für den Menschen, denn jedes Hundeindividuum, das seine Emotionen und Gefühle im Zusammensein mit dem Menschen nicht ausleben kann, leidet. Einem solch bedauernswerten Hund fehlt nämlich etwas Entscheidendes zum seelischen Ausgleich: das sozioemotionale Verständnis. Hunde fühlen sich nur dann „seelisch“ wohl, wenn ihre Grundpersönlichkeit einschließlich all ihrer besonderen Fähigkeiten Anerkennung erfährt und nicht vom Menschen unterdrückt wird. Hunde, die ihre Persönlichkeit nicht entfalten können, neigen zu „Protestverhalten“ oder ziehen sich zurück und leiden still.

Können Hunde trauern?

Hunde empfinden ähnlich wie wir, kennen also Eifersucht, Trauer, Zorn oder Verstimmung. Unvorhersehbare Schicksalsschläge, wie ein Unfall oder der Verlust eines engen Sozialpartners, können das Bewusstsein des Hundes sehr stark verändern. Ihre seelische Not bleibt dem Menschen nicht verborgen. Deshalb brauchen sie in solchen Situationen besondere Hilfe. Der Mensch sollte sich bemühen, den Alltag des trauernden Hundes weiterhin so zu gestalten wie bisher. Das gibt dem Tier seelischen Halt und hilft ihm, möglichst rasch über den Verlust hinwegzukommen. Falsch ist, wenn wir uns emotional übertrieben verhalten und den Hund ständig bedauern. Dadurch könnte sich sein Leid womöglich noch verstärken. Am besten, viel mit dem traurigen Tier unternehmen, lange Spaziergänge machen und andere Hunde treffen.

Auf jeden Fall brauchen Hunde regelmäßigen Kontakt zu ihren Artgenossen. Wir selbst können sie als Spielpartner nicht einmal ansatzweise ersetzen, dazu sind wir einfach viel zu stark naturentfremdet. Zudem ist das Spielen in einer Hundegruppe enorm wichtig für die Sozialisation. Körperkontakt und Knabbereien sind völlig normales Hundeverhalten und dienen dem Tier dazu, herauszufinden, wer wer ist, wer was meint und wer wie momentan sozioemotional gestimmt ist.

Sind Hunde intelligent?

Es ist unglaublich, was Hunde alles können. Allein die Hundenase ist ein wahres Wunderwerk. Und erst ihr Gehör! Ihre Sinnesleistungen sind enorm und in puncto Verstand können viele von ihnen mit einem Kleinkind mithalten. Manche können am Atem eines Menschen sogar erschnüffeln, ob in seiner Lunge Krebszellen sind oder nicht. Ein Hund hört ja nicht nur Herrchens Auto, den Schlüssel im Schloss oder Nachbars Katze im Garten, während wir selbst uns noch an der wunderbaren Stille erfreuen. Nein, er unterscheidet zugleich: Welches Geräusch kenne ich, welches kann ich einschätzen und als „ungefährlich“ abhaken? Welches ist neu, fremd und möglicherweise bedrohlich?
Wie machen Hunde das? Man könnte davon ausgehen, dass Hunde eine Art sechsten Sinn haben. Bloch: „Trotzdem sollte man mit dieser Aussage vorsichtig sein, denn viele Verhaltensgewohnheiten sind konditioniert, der Hund hat sie also schlicht und ergreifend erlernt.“ Was wiederum zeigt, dass der Hund intelligent ist. Intelligenztraining ist nicht nur in den ersten Lebenswochen möglich. Hunde lernen bis ins hohe Alter.

Intelligenz heißt „denken“ und „Problem lösen“. Das Tier spielt eine Situation oder Wege zur Problemlösung zunächst im Kopf durch und handelt erst dann zielgerichtet. Wie merken wir, dass unser Hund denkt? Das  sieht man. Der Hund wird mit einem Problem konfrontiert und macht erst einmal eine Pause, um zu überlegen. Dann handelt er. Andere Hunde probieren gleich wie wild herum und fangen erst später an zu überlegen, wenn das spontane Handeln nicht zum Ziel geführt hat.

Das Buch: Nina Ruge/Günther Bloch
Was fühlt mein Hund? Was denkt mein Hund?
GU-Verlag, 19,99 €

Die Autoren:

Nina Ruge ist Journalistin und Moderatorin – bekannt aus dem ZDF-Format „Leute heute“. Sie ist engagierte Hundehalterin und setzt sich für verantwortungsvolle Hundehaltung ein. Sie ist erste „Botschafterin des Hundes“ beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH).

Günther Bloch ist Hunde-Verhaltensexperte und gründete 1977 eine „Hundefarm“ in der Eifel, wo er begann, Haushunde in Gruppen zu halten und ihr Verhalten zu analysieren. Seit vielen Jahren ist er als Hundeerzieher und Verhaltensberater für Mensch und Hund tätig. Er hat mehrere Bestseller zum Thema Hundeverhalten verfasst.