Wie die Hundeflüsterin auf ihre Schützlinge einwirkt

Viele Hundebesitzer resignieren irgendwann, weil sie es einfach nicht schaffen, ihrem Liebling die eine oder andere Unart abzugewöhnen. Der vierbeinige Gefährte bleibt dabei – springt unablässig an jedem hoch, zerrt an der Leine, hört nur, wenn es ihm gerade passt oder ist gar aggressiv. Die Engländerin Jan Fennell, eine Hundezüchterin und Hundetrainerin, hat die Methode des Pferdeflüsterers Monty Roberts für Hunde modifiziert. Mit ihrer Technik können sich auch problematische Beziehungen zu wahrhaften Freundschaften entwickeln.

 Simmy, ein springfreudiger Terriermischling bildete stets den Mittelpunkt – seine Besitzer waren hilflos verliebt in das Tier. Simmy machte ihnen kaum Sorgen und es gab auch keine größeren Schwierigkeiten mit dem lebhaften Vierbeiner. Aber Simmy hatte eine Angewohnheit, die ihm Herrchen und Frauchen einfach nicht abgewöhnen konnten: Simmy sprang an jedem hoch, der ins Haus kam. Es half kein Schimpfen, keine Gebärden, kein Drohen, nichts – Simmy sprang und sprang. Da konnte nur noch eine helfen: Jan Fennell, Englands erfolgreichste Hundetrainerin.

Um mit Simmys übler Gewohnheit fertig zu werden, musste sie eine genauso deutliche Sprache sprechen wie er. Das Wichtigste dabei: Auf das unerwünschte Verhalten gar nicht einzugehen. Sobald der Hund hochsprang, trat sie einen Schritt zurück und dann zur Seite. „Wenn ein gewisser Abstand zwischen Ihnen und dem Hund besteht oder der Hund sehr aufgeregt ist, wehren Sie ihn mit der Hand ab oder schubsen ihn weg. In beiden Fällen dürfen Sie nicht sprechen und keinen Blickkontakt mit ihm aufnehmen. Sie wollen ja seinen Führungsanspruch ignorieren“, erklärt Jan Fennell in ihrem Buch „Mit Hunden sprechen“ (Ullstein-Verlag).

Irgendwann ist die Batterie leer

Simmy sprang nach dem Ausweichen der Tiertrainerin zwar nicht mehr an ihr hoch, aber fortwährend und unermüdlich vor ihr. Während seines Tuns redete sie einfach über ihn weg oder auch um ihn herum und erklärte seinen Besitzern, wie sie verfahren sollten. Jedenfalls sollte vermieden werden, dass die beiden auf Simmys Auf-und-ab-Spiel eingingen. Denn jedes Mal, wenn er hochsprang, reagierten die Besitzer auf ihn und erkannten ihn damit an. Und genau das musste sich aufhören. Jan Fennell redete immer weiter, Simmy sprang immer weiter – auch als sich alle bereits im Wohnzimmer befanden.

„Als Simmy begriffen hatte, dass sein Verhalten keinerlei Reaktion mehr auslöste, änderte er seine Taktik und fing an, mich laut anzubellen. Doch ich nahm sein Gekläff einfach nicht zur Kenntnis und kümmerte mich nicht um Simmy“, erzählt Fennell. Nach einiger Zeit wurden seine Batterien allmählich leer und er trollte sich in ein anderes Zimmer. Nach zehn Minuten kam er wieder, legte eine Serie von Sprüngen aufs Parkett und legte eine Salve wilden Gebells hin. Wieder achtete keiner darauf, nach einer Minute war der Spuk vorbei.

Natürlich sprang er beim nächsten Besucher wieder hoch, doch der wurde von den Gastgebern instruiert, Simmy zu ignorieren und so vorzugehen wie es Fennell vorgezeigt hat. Kein Mensch interessierte sich für sein Auf-und-ab-Spiel und bald schon waren Gäste Simmy nicht einmal mehr einen Blick wert. Fennell: „Die Springerei hatte ein Ende und ich bin sicher, der Hund war zufrieden.“

Die Hundeflüsterin

Die Hundezüchterin und –trainerin Jan Fennell baut in ihrer Methode ganz auf die Dominanz als ausschlaggebenden Faktor für die Erziehung von Hunden auf. Erwünschtes Verhalten soll gelobt werden, unerwünschtes ignoriert. Das Ignorieren der Vierbeiner erfolgt jeweils demonstrativ – mit Abwenden, Weggehen und ohne Blickkontakt. Die Dominanz des Hundeführers wird dadurch unterstrichen, dass er etwa beim Füttern als Erster etwas bekommt. Das könnte man damit demonstrieren, dass man etwa ein Keks quasi aus dem Hundenapf nimmt und es sozusagen als Rudelführer vor der Fütterung des Vierbeiners verspeist.

Monty Roberts, der Pferdeflüsterer, der es sogar schafft, wilden Pferden nur mit gutem Zureden einen Sattel aufzulegen, ist Jan Fennells großes Vorbild. Die Methoden des Pferdeflüsterers verändern die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Ihr außergewöhnliches Talent, Hunde zu erziehen und ihr Verständnis für Psyche, Verhalten und Körpersprache der Vierbeiner haben Jan Fennell zur erfolgreichsten Hundetrainerin Englands gemacht. In dem Buch „Mit Hunden sprechen“ vermittelt die „Hundeflüsterin“ die an Monty Roberts angelehnte Methode, mit der sich auch überdrehte Problemfälle, bissige, nervöse, aggressive und überfürsorgliche Hunde therapieren lassen. Wie Roberts geht es auch Fennell nicht darum, den Willen der Tiere mit Gewalt zu brechen, sondern mit Blick auf ihre Instinkte und ihr Rollenverhalten mit den Vierbeinern zusammenzuarbeiten.

Als Nachkomme des Wolfes an die strengen Regeln des Rudels gewöhnt, ist der Hund sich und seinen Instinkten seit Beginn der Domestizierung vor Zehntausenden von Jahren treu geblieben. Fennell:  „Die Anforderungen, die der Mensch allerdings inzwischen an ihn stellt, sind häufig paradox und widernatürlich. Seine Degradierung zum Schoßtier, Accessoire und Ergebnis verrückter Züchtungen hat für eine Menge Missverständnisse in der Beziehung zum Menschen gesorgt.

Hunde, die ohne Leine weglaufen

Die vielleicht wichtigste Fähigkeit des Hundehalters besteht darin, seinen Hund auch ohne Leine jederzeit zum Kommen zu bewegen. In manchen Augenblicken kann diese Fähigkeit über Leben und Tod entscheiden. Beau, ein wundervoller Bernhardiner, konnte von seinem Frauchen nicht von der Leine gelassen werden, weil er sich einfach nicht zurückrufen ließ. Die Besitzerin war stundenlang mit hilflosem Herumjagen ihres Vierbeiners beschäftigt, bis sie schließlich aufgab. Wann und wo sie mit Beau spazieren ging, sie ließ ihn nicht mehr von der Leine. Ein Umstand, der Beau natürlich viel zu wenig Bewegungsfreiheit ließ. „Seine Besitzerin machte exakt dieselben Fehler wie so viele Hundebesitzer. Beim Spaziergang folgte sie ihm, wenn er frei lief, auf Schritt und Tritt. Damit aber erkannte sie seine Stellung als Rudelführer an, ließ ihn also die Spielregeln bestimmen“, analysiert Jan Fennell.

Die Besitzerin musste als Erstes den Vierbeiner mit Signalen bombardieren. Es war wichtig, dass sie zu Hause die absolute Kontrolle über ihren Hund hatte, damit sie ihn auch im Freien dazu bringen konnte, genau das zu tun, was sie wollte. „Während dieser ersten Zeit empfehle ich den Besitzern ihre Hunde nicht frei laufen zu lassen, bis sie wirklich so weit sind. Innerhalb von zwei Wochen folgte Beau aufs Wort, wenn seine Besitzerin ihn im Haus oder im Garten zu sich rief“, schreibt die Hundeflüsterin. Sie hatte gelernt, dass sie ihn loben musste, und er verband mit seinem neuen Verhalten positive Assoziationen. Jetzt musste die Hundebesitzerin die Botschaft noch verstärken, die sie dem Vierbeiner im Umkreis des Hauses bereits vermittelt hatte. Sie musste sich Beau als diejenige zeigen, die auch draußen die Jagd anführte. Keine leichte Sache.

Jedesmal, wenn Beau beim Beginn des Spazierganges wie gewohnt an der Leine zerrte, drehte sein Frauchen um, brach den ersehnten Spaziergang ab und führte ihn ins Haus zurück. Es dauerte drei Tage, bis Beau über die Grenzen des Grundstückes hinauskam. Ganz allmählich kam die Botschaft bei ihm an, und er entschloss sich, anständig an der Leine zu gehen. Täglich wurde die Leine ein Stück verlängert. Von Zeit zu Zeit lockte die Besitzerin den Vierbeiner mit einer Belohnung zu sich. Jedes Mal, wenn er gehorchte, gab sie ihm mehr Leine.

Anschließend mussten die Gehorsamkeitsübungen ohne Leine wiederholt werden. Auch da funktionierte die Sache mit der leckeren Belohnung. Beau kam stets zu Frauchen zurück und die Entfernung konnte Meter für Meter vergrößert werden. Nach einem Monat war es so weit, dass die Spaziergänge mit Beau genauso fröhlich und erlebnisreich waren, wie es sich Frauchen immer gewünscht hatte. Fennell: „Die Zeiten, da sie über Stock und Stein hinter ihm herrennen musste, waren vorbei. Bedingungslos folgte er ihr.“ Aber noch viel wichtiger ist, dass Beau seither besser trainiert, gesünder und glücklicher wirkt, als je zuvor.

Jan Fennell hat vor allem gelernt, dass man immer bereit sein muss, zu improvisieren. „Die wahre Stärke meiner Methode liegt in ihrer Flexibilität, sie kann der Persönlichkeit des Hundes angepasst und entsprechend verbessert werden.“ Und bloß nicht gleich aufgeben. Fennell weist darauf hin, dass die intelligentesten Hunde am meisten Widerstand leisten, wenn sie ihr Verhaltern ändern sollen. Kluge Hunde stellen alle Entscheidungen stets infrage und erst, wenn sie begriffen haben, das sie von einer neuen Situation nur profitieren können, gehen sie bereitwillig darauf ein.