Wie Haustiere den Menschen beeinflussen und verändern können

Wissenschaftliche Untersuchungen untermauern, dass Kinder, die mit Haustieren aufwachsen, mehr Verantwortung, Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz entwickeln. Auf Grund dieser Erkenntnis wurden in den USA straffällig gewordene Jugendliche aus desolaten Verhältnissen in der Ausbildung von Therapiehunden eingesetzt. Diese Aufgabe führte nachweislich zu einer positiven Entwicklung.

Ludo, ein großartiger Therapeut, erlaubt sich auch manchmal ängstlich zu sein 

Auch für Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, kann ein Hund seelische und auch körperliche Stütze sein. Das Haustier sorgt für eine Strukturierung des Tagesablaufs und verhindert, dass sein Mensch völlig ins gesellschaftliche Out und in Verzweiflung gerät.

Haustiere, ganz besonders Hunde, fördern Gesundheit und Fitness ihrer Menschen durch Einfluss auf ihren Lebensstil und durch soziale Unterstützung. Hunde assistieren bei Therapien, erleichtern das Leben von Behinderten und heben die Lebensqualität alter Menschen. Und sie können noch mehr: Sie bewahren Arbeitslose, Alleinstehende und sogar Straffällige vor dem gesellschaftlichen Abseits, weil sie für das Erhalten von Strukturen sorgen, weil sie das Gefühl des Gebrauchtwerdens vermitteln, weil sie Freunde sind. Wahre Freunde, die ihren Besitzer bedingungslos die Treue halten.

Die Studie, für die straffällige Jugendliche in den USA bei der Therapiehunde-Ausbildung eingesetzt wurden, verlief äußerst erfreulich. Von den 50 Jugendlichen, die an diesem Projekt teilnahmen, wurde kein einziger nach seiner Entlassung rückfällig. In der deutschen Justizvollzugsanstalt in Vechta wiederum hat man auf dem Gefängnisgelände Ställe und Volieren für unterschiedliche Tierarten aufgestellt. Die Strafgefangenen können sich freiwillig der Tiere annehmen. Etwa 20 Prozent von ihnen nutzen dieses Angebot intensiv – die Ergebnisse lassen aufhorchen: Es gibt dort Menschen, die haben furchtbare Straftaten begangen, aber mit den Tieren gehen sie überaus sensibel um.

Haustiere vollbringen Höchstleistungen

Das Wissen um die Wirkung von Haustieren ist inzwischen sehr groß und wissenschaftlich untermauert, doch die Diskrepanz zwischen Wissen und Anwendung ist riesig. Die Heimtierhaltung bietet Chancen, die viel zu wenig genützt werden. Im Zusammenleben mit Tieren steckt ein enormes Potential für die Steigerung von Lebensqualität. Vergleichsweise wenig davon wird jedoch in Anspruch genommen. „Immer noch ist es schwierig, tiergestützte Programme in Kindergärten, Schulen, Spitälern, Altersheimen oder gar Strafanstalten einzurichten. Und private Haustierhaltung wird durch restriktive gesetzliche Rahmenbedingungen eher erschwert als erleichtert“, bedauert Universitätsprofessor Dr. Kurt Kotrschal, Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau, Österreich. Die Gründe dafür sieht er in nur der Ratio verschriebenen Denkweisen, in technokratischen Traditionen und Mentalitäten, welche „die Ausgrenzung zwischen Mensch und Tier betonen und die Sicht auf das Tier als Sozialkumpan verstellen“, so Biologe Kotrschal. Er lehrt an der Uni Wien und  führt in Oberösterreich die Arbeit seines einstigen Lehrers fort, Kotrschal gilt als einer der profiliertesten Verhaltensforscher. Sein größter Wunsch: Die weltweite Einführung von Studienlehrgängen und Universitätslehrstühlen im Bereich der  Mensch-Tier-Beziehung.

Denn sämtliche internationale Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Tierbeziehung etwas sehr Wichtiges ist. „Wir haben uns über 35.000 Generationen seit etwa 700.000 Jahren als Jäger und Sammler im engen Zusammenleben mit Tieren entwickelt“, erläutert Professor Kotrschal. Mensch und Hund durchlebten gemeinsam die Steinzeit, gingen gemeinsam jagen. „Keine menschliche Kultur kam über längere Zeiträume ohne Hunde aus. Und daraus lässt sich geradezu ein Menschenrecht auf Hundehaltung ableiten.“ Ohne Hunde ist eine menschliche Gesellschaft unvollständig. Erich Kästner soll einmal gesagt haben, dass „wir auch ohne Hunde leben können, aber es lohnt sich nicht.“

Tiere sprechen unser Unterbewusstsein an

Biologe Kotrschal: „Wenn heute Tiere als soziale Schmiermittel funktionieren; wenn Tiere so effizient sind, um Therapieresistenz bei Kindern und auch anderen Menschen zu überwinden; wenn Tiere nicht nur für Autisten ideal sind, sondern auch für andere Menschen mit einem Defizit; wenn Tiere prinzipiell gut sind für die Entwicklung von Kindern, dann hat das einen evolutionären Hintergrund: Tiere sprechen direkt unsere unbewussten Ebenen an. Unsere mehr instinktiven Seiten.“ Und deshalb wirken sie auf die meisten Menschen aktivierend.

Menschen, die längere Zeit arbeitslos sind, kommen mit ihrer Situation offensichtlich besser zurecht, wenn sie ein Haustier haben. Reinhold Bergler, Vorsitzender des Forschungskreises „Heimtiere in der Gesellschaft“, untersuchte in einer Pilotstudie die Lebensverhältnisse von 32 Langzeitarbeitslosen, von denen etwa die Hälfte einen Hund hatte. „Je länger die Strukturierung des Alltags abhanden gekommen ist, desto kleiner ist die Arbeitsmotivation“, so Bergler. Während die Arbeitslosen ohne Hund eine starke Neigung zur Verwahrlosung zeigten, hatten die Hundebesitzer einen gut strukturierten Alltag und eine größere Lebensfreude. Sie standen regelmäßig früh auf, gingen täglich mit ihren Tieren nach draußen und trafen auch häufiger andere Menschen. Die Arbeitslosen ohne Haustier dagegen berichteten, dass sie den ganzen Tag fernsehen und am Abend noch deprimierter sind als vorher. Weiters: Die Gruppe der Haustierbesitzer neigt weniger zu Alkoholmissbrauch und Tablettensucht als die andere. Reinhold Bergler: „Ein Hund erhält die soziale Klasse.“

„Tiere geben den Menschen eine gewisse Struktur. Für Arbeitslose und alte Menschen ist der Strukturverlust eines der Hauptprobleme: Dass man in der Früh nicht mehr aufstehen muss, dass man keine Aufgabe mehr hat, nicht mehr gebraucht wird und sich unnütz vorkommt“, sagt Professor Kurt Kotrschal. Katzen wirken da weniger. Aber Hunde prägen den Tagesablauf des Menschen und sind gut für soziale Beziehungen. Alte Menschen, die mit Hunden in Kontakt stehen, entwickeln wesentlich weniger Altersdepression. Allerdings nur, wenn man ein Tier mag. Kotrschal betont, dass es sich bei der Tierhaltung um keine Wunderdroge für alles und jedes handelt und dass es natürlich auch Menschen gibt, die von Kindesbeinen an wenig mit Tieren anzufangen wissen. „Denen wird man wahrscheinlich auch keine Freude machen, wenn man sie im Altersheim, wenn sie schon 80 sind, mit einem Tier konfrontiert.“ Menschen, die keine Tiere mögen, sind aber eine Minderheit.